Die Zeit des Lächelns

Mitarbeiter des Eye Tracking-Labors der DHBW Karlsruhe erforschen die Marketingstrategien der Uhrenhersteller

Betrachtet man Onlineauftritte, Prospekte und Werbeanzeigen führender Uhrenhersteller, so scheinen fast alle Uhren um kurz nach zehn Uhr stehengeblieben zu sein. Doch was steckt hinter dieser detaillierten Inszenierung?

Die „lächelnde“ Zeigerstellung ist kein Zufall. Sie wird seit vielen Jahrzehnten von Herstellern weltweit gewählt, um ihre Uhren ansprechend zu präsentieren.

Bereits in den frühen 1920er Jahren soll die Edelmarke Rolex eine einheitliche Anordnung der Zeiger festgelegt haben. Auch bei Seiko gab es ab den frühen 1960er Jahren eine verbindliche Order, die analogen Uhren konsequent bei exakt 10 Uhr, 8 Minuten und 42 Sekunden ablichten zu lassen, wie Autor Florian Coulmas in der Ethnografie "Japanische Zeiten" beschreibt. Andere Uhrenhersteller folgten diesem Prinzip weitgehend und setzten mitunter eigene Standards indem sie um wenige Sekunden abwichen.

Die „lächelnde“ Zeigerstellung soll unterschwellig positiver und freundlicher wirken, als es etwa bei der Uhrzeit 8 Uhr 20 der Fall wäre. Tatsächlich kennt die Wahrnehmungsforschung das Phänomen als „Pareidolie“, welches beschreibt, wie Menschen in Alltagsgegenständen vermeintliche Gesichter erkennen. Wenn diese dann auch noch freundlich lächeln, dürfte das dem Betrachtungsmoment durchaus zuträglich sein. Ein weiterer Vorteil der gewählten Zeigerposition ist darin zu sehen, dass sie bei den meisten Uhrenmodellen den freien Blick auf das Zifferblatt ermöglicht. So sollten das Hersteller-Logo, die Datumsanzeige und eventuelle Hilfszifferblätter weitgehend unverdeckt sein. Zudem wirkt eine einheitliche Zeigerstellung deutlich ruhiger und harmonischer bei der Produktpräsentation. Sie lenkt Betrachter weniger ab, wenn sie Uhren untereinander vergleichen.

Doch nicht nur die Darstellung der Uhren, sondern der gesamte Kommunikationsauftritt wird von modernen Unternehmen heutzutage perfektioniert. Dafür werden regelmäßig Eye Tracking-Analysen (Blickverlaufsmessungen) durchgeführt. „Bereits minimale Veränderungen können den Blickverlauf maßgeblich verändern und darüber entscheiden, ob sich potenzielle Kunden überhaupt näher mit den Produkten beschäftigen.“, gibt Michael Rasimus, Leiter des Eye Tracking-Labors der DHBW Karlsruhe zu bedenken. Durch sogenannte A/B-Tests lassen sich unterschiedliche Inszenierungen bereits vorab überprüfen. Dies ermöglicht nicht nur ein freundliches Gesamterscheinungsbild der werbetreibenden Unternehmen, sondern erhöht auch die Chancen auf zufrieden lächelnde Kunden.

 

Text: RM, Foto:DHBW KA/RM