Wir sind noch weit, weit weg von einer Normalisierung der Geldpolitik

Bundesbankpräsident Prof. Dr. Joachim Nagel erläuterte einen Tag nach der EZB-Ratssitzung im Rahmen des BankenDialog Karlsruhe wie die Geldpolitik im Eurosystem funktioniert und was sie gegen die hohe Inflation tut.

Der EZB Rat hatte am 9. Juni die erste Zinserhöhung seit elf Jahren für die Juli Sitzung angekündigt.

In seinem Vortrag gab der Bundesbankpräsident Einblicke in die neue geldpolitische Strategie, die auf Grundlage der Strategieüberprüfung im Juli 2021 verfolgt wird. Er skizzierte die Herausforderungen der Geldpolitik in den vergangenen Jahren, blickte auf die große Überschussliquidität in den Märkten und ordnete das Ende der Nettoanleihekäufe und die angekündigte Zinsentscheidung ein.

Mit einem Rückblick auf die letzten 14 Jahren gab er zu verstehen, dass die Geldpolitik erheblichen Herausforderungen ausgesetzt war. Die vergangenen Jahre seit 2008 wurden begleitet durch eine Welle von Krisen. Seit der Finanzkrise 2008 mussten daher gewaltige Größenordnungen mobilisiert werden, um geldpolitisch dagegen zu halten.

Die Inflationsrate lag zwischen 2008 und 2021 merklich unter dem Ziel des Eurosystems von 2%. Die Geldpolitik versuchte dem mit den unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen entgegenzutreten.

Auf den Märkten entstand eine große Überschussliquidität Die Anleihekaufprogramme waren im Grundsatz zwar wirksam, aber es hat sich auch gezeigt, dass Sie kein Allheilmittel sind. Die Unsicherheiten über die Größe ihrer Effekte ist durchaus hoch und die Nebenwirkungen sind bekannt. So sind die Vermögenspreise wie auch Immobilienpreise deutlich angestiegen. Dadurch können sich Risiken für die Finanzstabilität ergeben.

Im Hinblick auf das Zinsniveau bewegte sich das Eurosystem sehr nahe an der Untergrenze. Mit der Zinsentscheidung im Juli wird es nach elf Jahren erstmalig zu einer Zinserhöhung kommen, die in der Wahrnehmung der Märkte mittlerweile insbesondere am Zinssatz für die Einlagefazilität gemessen wird. Grundsätzlich sollen die wichtigen Leitzinsen um je 0,25 % angehoben werden.

„Wir sind noch weit, weit weg von einer Normalisierung der Geldpolitik.“ konstatierte der Bundesbankpräsident. Es gehe jetzt darum zu sehen, wie der Markt auf diesen Schritt reagiere. Für die Septembersitzung stellte er einen weiteren Zinsschritt in Aussicht: „Sollten die Daten so sein, dass sie dann das Inflationsbild, so wie wir es jetzt sehen, widerspiegeln, dann könnte man sich auch durchaus vorstellen, einen größeren Schritt zu machen als die 25 Basispunkte.“

Im Anschluss an den Vortrag stellte sich Joachim Nagel einer lebhaften Diskussion mit Studierenden, Professor:innen, Bankvertreter:innen und weiteren Teilnehmer:innen, in der er auch kritische Fragen beantwortete.

Seine Einschätzung: „Es sind elf Jahre gewesen, in denen ich glaube, dass die Geldpolitik einen ordentlichen Job gemacht hat. Da könnte man jetzt sagen, man ist über das Ziel hinausgeschossen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass die Gründe, warum die Inflationsrate jetzt so weit nach oben gegangen ist, sich seit Beginn an ein Stück weit den Möglichkeiten einer Notenbank entziehen.“

Eine wesentliche Rolle spiele die Erwartungshaltung von Wirtschaft und Bevölkerung. Der Bundesbankpräsident zeigte sich zuversichtlich, dass die Notenbank die Inflationserwartungen wieder auf das angestrebte Ziel von 2 % bewegen könne.

Großes Dankeschön an unseren Bundesbankpräsidenten und Honorarprofessor Prof. Dr. Joachim Nagel für seinen beeindruckenden Vortrag!

Es war der erste sommerliche BankenDialog in der Geschichte der Veranstaltungsreihe und er konnte erfreulicherweise wieder traditionell persönlich stattfinden. Das große Interesse zeigte sich in der Vielzahl der Teilnehmer, darunter viele Referent:innen früherer und noch anzukündigender BankenDialoge.

Der BankenDialog Karlsruhe ist eine Veranstaltung des Studiengangs BWL-Bank an der DHBW Karlsruhe. Er fördert den Gedankenaustausch innerhalb der Finanzierungscommunity der TechnologieRegion Karlsruhe. Die Veranstaltungsleitung liegt bei Prof. Dr. Christiane Weiland, die durch die Veranstaltung führte. Prof. Dr. Holger Becker überbrachte ein Grußwort des Rektorats.

Unterstützt wird der BankenDialog Karlsruhe durch die Deutsche Bundesbank und die L-Bank.

Weitere Informationen:
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Text: ABay / WL, Fotos: SDiringer / AFabry / MSchepp