Amazon Prime Day 2024: Die Psychologie hinter der Schnäppchenjagd

Einblicke aus dem Eye Tracking-Labor der DHBW Karlsruhe: Wie Neurowissenschaft und Konsumentenforschung das Kaufverhalten prägen

Vom 16. Juli um 0:00 Uhr bis 17. Juli 2024 um 23:59 Uhr fand der Prime Day statt. Zum zehnjährigen Jubiläum des weltweiten Shopping-Events gab es wieder satte Rabatte und verlockende Angebote, exklusiv für Amazon Prime-Mitglieder. Im Online-Shop herrschte Ausnahmezustand. Doch was macht die kollektive Schnäppchenjagd für Kund*innen so attraktiv? Jan Michael Rasimus, Leiter des Eye Tracking-Labors der DHBW Karlsruhe, erklärt dies anhand von Erkenntnissen aus den Neurowissenschaften und der Konsumentenforschung.

Erwartungshaltung
Rasimus: Die Erwartungen an den „Prime Day“ sind für viele Online-Shopper enorm hoch. Es ist ein exklusives, zeitlich begrenztes Angebot, das intensiv beworben wird und ordentliche Rabatte verspricht. Durch diese Verknappung entsteht der sogenannte FOMO-Effekt. Die Abkürzung steht für „fear of missing out“, also die Angst, attraktive Angebote zu verpassen.

Belohnungssystem
Rasimus: Schon die Aussicht auf tolle Schnäppchen kann das Belohnungssystem des Gehirns aktivieren. Es motiviert dazu, bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen. Botenstoffe wie Dopamin sorgen dann für wahre Glücksgefühle. Sie steigern das emotionale Verlangen und können dadurch auch das Einkaufsverhalten beeinflussen. Hirnareale, die uns sonst rational und vernünftig handeln lassen, sind dann deutlich weniger aktiv. Tatsächlich ist der Begriff Kaufrausch gar nicht so unpassend, denn es sind die gleichen Prozesse, die auch bei Rauschmitteln eine Rolle spielen.

Trigger-Reize
Rasimus: Trigger-Reize sind aus der Verkaufspsychologie bekannt und lassen sich durch Eye Tracking (Blickverlaufsanalysen) nachweisen. Sie spielen für die erfolgreiche Darbietung der Produkte eine wesentliche Rolle, weil sie psychologische Muster bedienen. Die Prime Day-Angebote in Verbindung mit roten Rabattkennzeichnungen ziehen magisch an. Sie machen neugierig, weil zunächst nur die hohen Rabatte, jedoch nicht der eigentliche Verkaufspreis abgebildet wird. Dieser ist erst nach dem Anklicken auf der Produktseite sichtbar, was den Spannungsbogen deutlich erhöht. Die sogenannten Ankerpreise (z. B. UVP, also die relativ hohen unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller) werden durchgestrichen als Bezugsgröße neben den reduzierten Angebotspreisen platziert und suggerieren enorme Rabatte. Bei „Blitzangeboten“ kommt noch ein weiteres Element hinzu: die Dringlichkeit durch Limitierung. Es wird angezeigt, wie viel Prozent aller Aktionsrabatte für das Blitzangebot bereits eingelöst wurden, bis es nur noch zum regulären Preis zu erwerben ist. So spielt der Faktor Zeit bei der Schnäppchenjagd eine zusätzliche Rolle, was leicht zu Impulskäufen verführen kann.

Personalisierung
Rasimus: Da der Prime Day ein exklusives Event für Prime-Kunden ist, verfügt Amazon über die gesamte Einkaufshistorie und jeweiligen Verhaltensdaten der Vergangenheit, die sich mitunter über sehr lange Zeiträume erstrecken. Vorschlagsalgorithmen können bei der Zusammenstellung der „Für dich“-Angebote somit höchst individuelle Präferenzen berücksichtigen und erstaunlich passende Angebote unterbreiten, die sich aus dem bisherigen Shopping-Verhalten ableiten.

Tipps für die erfolgreiche Schnäppchenjagd
Rasimus: Zunächst sollte sich jeder bewusst sein, dass man sich an solchen Aktionstagen leicht verführen lässt und manchmal auch unüberlegt handelt. Allein schon, um unnötige Retouren zu vermeiden, ist es sinnvoll, gut vorbereitet in die Rabattschlacht zu gehen. Es empfiehlt sich, bereits im Vorfeld gezielt eine Liste für geplante Anschaffungen zu erstellen. Eine „horizontale Suche“ durch Preissuchmaschinen schafft Preis-Transparenz im Online-Markt. Auch vermeintliche „Super-Schnäppchen“ sollten noch einmal kritisch geprüft und verglichen werden. Eine bewusste Pause zwischen dem Entdecken eines attraktiven Angebots und der Bestellung schützt vor emotionalen Impulskäufen. Aus psychologischer Sicht sollten Einkäufe sofort beglichen werden. Allzu flexible Zahlungs- oder Finanzierungsmodalitäten vermindern nämlich den sogenannten „Preisschmerz“ beim Bezahlen. Der Verlust des Geldes wird dann nicht so unmittelbar spürbar, was dazu führen kann, dass man mehr ausgibt als ursprünglich geplant.

Text: RM, Grafik: DHBW Karlsruhe//RM (Foto: Nataliya Vaitkevich)