Feldtest und Zukunftsausblick: Digitalisierung von Foodcoops durch Studierende

Erfahrungen, Herausforderungen und Perspektiven einer praxisnahen Studienarbeit

In einem Feldtest mussten sich zum Abschluss ihrer Studienarbeit Eileen Fahrner, Nikolas Gaska und Matteo Staar, Studierende der Informatik mit Ihrer App Mitgliedern einer Foodcoop aus knapp 20 Haushalten stellen. Ein Stress­test nicht nur für die App, sondern vor allem auch für die Studierenden, der wertvolle Erkennt­nisse im Sinne eines Benutzerzentrierten Software-Designs zur Digital­isierung einer Food­coop lieferte.

Was sind Foodcoops?
Foodcoops sind selbstorganisierte (nicht-kommerzielle) Einkaufsgemeinschaften mit dem Ziel mög­lichst regional Lebensmittel aus biologischem Anbau einzukaufen, Verpackungsmüll und Fahr­wege zu reduzieren, sowie die Hoheit über das Angebot zurückzugewinnen. Ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen, sowie Vorbestellung von Frischwaren ermög­lichen es, ohne typische Einzelhandelsfunktionalitäten auszukommen, damit Kosten zu spar­en und 100% der Lebensmittel zu verteilen.

Foodcoops digitalisieren
Die benötigten Verwaltungs-Prozesse, die rein ehrenamtlich geleistet werden, sind über Jahr­zehnte gewachsen und hoch optimiert, basieren aber bis heute im Wesentlichen auf „Papier und Bleistift“. Ihre Digi­talisierung verspricht einen Mehrwert z.B. durch die Möglichkeit online den Bestell­prozess der Mitglieder an extern vorgegebene Gebindegrößen anzupassen. Wenn ein Biobauer nur Gebinde von zehn1Salatköpfen einer Sorte liefert, dann ist es kompliziert eine Einigung darüber herzu­stellen wie viele Gebinde bestellt werden sollen. Aber auch bei der Abrechnung oder beim Umgang mit zu viel oder zu wenig gelieferten Waren könn­ten auf Basis digitalisierter Prozesse Zeitersparnisse erzielt und Prozesse weniger fehler­anfällig gestal­tet werden. Webbasierte Technologie wird zwar von einzelnen Foodcoops bereits eingesetzt, verfügbare Toolszeigen sich aber als zu unflexi­bel, um die spezifischen Anforderungen einer Foodcoop abzubilden.

Neustart im Rahmen von Studienarbeiten
Da bot es sich an, mit der Hilfe von Studierenden auf der grünen Wiese ganz von vorne zu beginnen. Aus persönlichem Interesse an Nachhaltigkeitsthemen initiierte so Dr. Oliver Rettig, Projektleiter im Robot-and-Human-Motion-Lab an der DHBW Karlsruhe, bereits im Jahr 2020 das Projekt zur Digitalisierung von Foodcoops. Im Rahmen von mittlerweile fünf Studienarbeiten wurden von bisher zehn Studierenden mit sehr viel Engagement zahlreiche Software-technische und organisatorische Aspekte untersucht und sehr viel Code entwickelt. Eine Herausforderung stellte die Einarbeitung der jeweils nachfolgenden Studien­arbeits­gruppen in die zunehmend komplexere Codebase dar. In den ersten Anläufen gelang dies gar nicht und bestehender Code musste komplett ver­wor­fen werden. Mit zunehmender Erfahrung mit aufeinander aufbauender Studienarbeiten, die insbesondere auch in Projekten des RaHM-Lab gewonnen werden konnten, entwickelte sich ein zunehmend reibungsloserer Workflow. Der lange Atem und die kontinuierliche Arbeit an dem Thema hat sich gelohnt: Mit dem gerade abgeschlos­senen Feldtest konnten jetzt erstmals alle digitalisierten Teilprozesse sowie ihr Zusam­men­spiel durch die Mitglieder einer Foodcoop in unmittelbarer Nähe der DHBWKarlsruhe erprobt werden.

Wie geht es weiter?
Der Feldtest hat gezeigt, dass technisch nicht mehr viel fehlt, um die App in die Praxis zu bringen. Dieser Schritt kann allerdings nur gelingen, wenn sich das Projekt aus dem Rahmen der Studienarbeiten löst und sich zu einem lebendigen Open-Source Projekt mit externer Unter­stützung und kontinuier­licher Weiterentwicklung wandelt. Eine letzte Aufgabe, die im Rahm­en einer weiteren Studienarbeit von Studierenden der DHBW im Oktober dieses Jahres in Angriff genommen werden kann.  Zwei aus der so erfolgreichen letzten Studienarbeitsgruppe haben bereits signalisiert, dass sie in ihrer Freizeit gerne dabei helfen wollen. Wir können gespannt sein wie es weitergeht.

Fazit
Projekte wie diese zeigen, dass Studienarbeiten nicht in Schubladen verschwinden und aus­schließ­lich dem Zweck der Erbringung von Studienleistungen dienen müssen. Die Einbindung in praktische Projekte motiviert alle Beteiligten, mit mehr Engagement und Tiefe zu studieren und die Studierenden intensiver zu betreuen, da das Gelernte direkt angewendet wird. Das ist zuverlässig aber nur möglich im Kontext von angewandter Forschung, die allerdings den kontinuierlichen Auf- und Ausbau von Know-How und Labor-Infrastruktur, wie z.B. dem RaHM-Lab voraussetzt. Labore angewandter Forschung liefern Impulse und Frage­stellungen am Puls der Zeit, aus denen neue Projekte entwickelt werden können. Sie sind eine wichtige Säule der Dualen Hoch­schule Baden-Württemberg und sollte in deutlich mehr Themenbereichen der Dualen-Hochschule etabliert und intensiviert werden. Die Bereitstellung zusätzlicher personeller Ressourcen insbesondere für die konzeptionelle Vorberei­tung und die Unterstützung der Lehrenden beim Aufbau entsprechender Labore in Form unbe­fristeter wissen­schaftlicher Stellen, ist hier unabdingbar.

Text: RET, DI, Foto: AdobeStock_492898899_Colleenmichaels