Praxis-Tipps für digitale Nachrichtenkompetenz

Wissenschaftler der DHBW Karlsruhe rät zur Überprüfung von Informationen

Das aktuelle Lagebild zum Digitalisierungsgrad in Deutschland („D21-Digital-Index“) darf als dringender Ansporn zur Steigerung der Nachrichtenkompetenz verstanden werden. Nur etwas mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Befragten traut sich zu, unseriöse Nachrichten zu erkennen. Bei niedriger Bildung sind es sogar nur knapp ein Drittel. Doch in nur wenigen Schritten lassen sich diese Fähigkeiten deutlich verbessern.

Medienauswahl treffen
Gerade junge Erwachsene nutzen Social Media zunehmend als wichtigste Nachrichtenquelle. Ein bequemer Weg, um sich schnell zu informieren. Doch im Gegensatz zu redaktionell geführten Medien obliegt die kritische Quellenprüfung hier letztendlich jedem einzelnen Nutzer selbst, um die Seriosität einzelner Nachrichten beurteilen zu können. Auch sollte berücksichtigt werden, dass die Funktionslogik sozialer Netzwerke dazu führen kann, dass polarisierende Nachrichten überproportional viel Aufmerksamkeit erhalten, wenn sie starke Reaktionen oder hitzige Debatten auslösen. Fundierte Beiträge, die komplexe Sachverhalte einordnen, gehen dagegen leicht im Grundrauschen der Emotionen unter. Für eine ausgewogenere Meinungsbildung ist es sinnvoll, mehrere unabhängige Quellen heranzuziehen und vertrauenswürdige Seiten möglichst direkt anzusteuern.

Wahrnehmungen hinterfragen
Die Gestaltung hat großen Einfluss auf die Wahrnehmung von Nachrichtenbeiträgen, wie auch Eye Tracking-Analysen mit Studierenden der DHBW Karlsruhe aufzeigen, bestätigt Michael Rasimus, Leiter des Eye Tracking-Labor der DHBW Karlsruhe. Dabei werden Blickverläufe und die Aufmerksamkeitsverteilung beim Lesen von Nachrichten untersucht.

Oft dienen so genannte Anbahnungsreize („Primes“), wie ausdrucksstarke Abbildungen, Videos, Signalfarben und Sprachbilder dazu, die Aufmerksamkeit auf Beiträge zu lenken und diese emotional aufzuladen (Freude, Angst, Überraschung, Wut, Verachtung, etc.). Doch gerade dann ist es ratsam, sie auch inhaltlich umso genauer zu hinterfragen.

Es wird oft unterschätzt, wie anfällig Menschen für Wahrnehmungsverzerrungen sind. Sie neigen beispielsweise dazu, sich tendenziell eher mit negativen Nachrichten zu beschäftigen, da diese auf ihre Ängste abzielen („Negativitätseffekt“). Auch finden Beiträge, die das eigene Weltbild (oder auch Sorgen) bestätigen, häufig mehr Beachtung („Bestätigungseffekt“) als widersprechende Informationen, die regelmäßig ignoriert werden.

Nachrichten überprüfen
Der Wissenschaftler Michael Rasimus empfiehlt eine angemessene Skepsis gegenüber Informationen aus bisher unbekannten Quellen. Durch wenige gezielte Fragen lässt sich die Seriosität von Nachrichten deutlich besser einschätzen:

  • Sind die Quellen unabhängig, verlässlich und fachkundig?
  • Sind die Autoren ersichtlich und seriös?
  • Ist die Beitragsart zuordenbar (Bericht, Satire, Meinungen, Kommentare, Werbung, etc.)?
  • Sind die Inhalte vollständig, unverzerrt, faktenbasiert und verifizierbar?
  • Ist der Kontext sachlich und zeitlich richtig hergestellt?
  • Sind Warnhinweise der Seiten-Betreiber vorhanden?

Eine Recherche über Schlüsselbegriffe und Schlagzeilen zeigt zudem auf, ob Informationen auch von anderen Seiten aufgegriffen werden („Zwei-Quellen-Prinzip“). Weitere Tools, wie die Google-Bildersuche, schaffen zudem Klarheit, ob und in welchem Kontext bestimmte Bilder bereits veröffentlicht wurden. Diverse Fakten-Checker (bspw. Faktenfinder) geben zusätzlich Orientierung. Sie überprüfen Nachrichtenbeiträge, sammeln bekannte Desinformationen und veröffentlichen die Ergebnisse dazu.

Der Zugang zu Informationen ist heute einfacher und umfassender denn je. Doch es erfordert Kompetenzen und Routine, um diese auch sicher einordnen zu können. „Oft wird dabei auf den Lehrplan der Schulen verwiesen, doch das greift längst nicht weit genug“, resümiert Rasimus. „Dringender Nachholbedarf besteht schließlich über alle Altersgruppen hinweg. Adäquate Weiterbildungsangebote sollten daher auch unbedingt einen festen Platz in der Erwachsenenbildung haben.“

Text: RA/DI, Grafik: DHBW KA//RA