Simulationsbasierte problemorientierte Lehre in der Robotik

Präsentation der webbasierten Programmierplattform Unibotics

Servicerobotik hat sich zu einem grundlegenden Werkzeug für die Transformation verschiedener industrieller und kommerzieller Sektoren entwickelt, indem sie Effizienz und Lebensqualität verbessert. Diese Robotersysteme, die für die direkte Interaktion mit Menschen und die Ausführung alltäglicher Aufgaben konzipiert sind, revolutionieren Bereiche wie Gesundheitswesen, Logistik und Haushaltsführung. Die Implementierung von Servicerobotern optimiert nicht nur operative Prozesse und senkt Kosten, sondern ermöglicht auch eine größere Anpassung an die spezifischen Bedürfnisse der Nutzer. In einem Kontext rascher technologischer Entwicklung und wachsender Nachfrage nach innovativen Lösungen ist die Servicerobotik ein wesentlicher Pfeiler für nachhaltige Entwicklung und globale Wettbewerbsfähigkeit.

Die Lehre der Servicerobotik für zukünftige Ingenieure an Hochschulen ist entscheidend, um eine neue Generation qualifizierter Fachkräfte auf die technologischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten. Die Integration dieses Fachs in den Lehrplan vermittelt den Studierenden nicht nur fortgeschrittenes technisches Wissen, sondern auch die praktischen und kreativen Fähigkeiten, die für die Entwicklung, Implementierung und Optimierung von Robotersystemen erforderlich sind, die mit Menschen interagieren und bei alltäglichen Aufgaben helfen sollen. Zudem fördert es ein umfassendes Verständnis der ethischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Robotik und stellt sicher, dass zukünftige Ingenieure innovative Lösungen entwickeln können, die die Lebensqualität verbessern und nachhaltige Entwicklung fördern. Da die Nachfrage nach Servicerobotern in verschiedenen Sektoren exponentiell wächst, wird die universitäre Ausbildung in diesem Bereich zu einer essenziellen Komponente, um Wettbewerbsfähigkeit und technologische Führung auf dem globalen Markt zu sichern.

Serviceroboter sind vielfältig, teuer, und Bildungseinrichtungen stehen oft vor budgetären Einschränkungen, die den Kauf mehrerer Einheiten für den Unterricht erschweren. Zudem erfordert die Komplexität dieser Systeme eine ständige Betreuung und ein hohes Maß an technischem Wissen der Lehrenden, was in großen Klassen eine Herausforderung darstellen kann. Daher sind fortschrittliche Simulatoren und hybride Ansätze für die Lehre der Servicerobotik von entscheidender Bedeutung. Simulatoren ermöglichen es Studierenden, in einer virtuellen Umgebung zu üben und zu experimentieren, wobei sie die Eigenschaften und Verhaltensweisen realer Roboter genau nachbilden. Auf diese Weise können komplexe Algorithmen getestet und entwickelt werden, ohne die Risiken und Kosten des direkten Hardwareeinsatzes. Zudem gewährleisten Simulatoren einen gerechten Zugang zur praktischen Ausbildung, sodass alle Studierenden unabhängig von wirtschaftlichen Einschränkungen die Möglichkeit haben, mit modernster Robotertechnologie zu interagieren.

Dieser Beitrag präsentiert die webbasierte Programmierplattform Unibotics für den Einsatz in der robotischen Lehre an der DHBW. Im Fokus stehen dabei die implementierten Lehrinhalte zur Servicerobotik, insbesondere die Übungen Follow Line und Amazon Warehouse, welche bereits erfolgreich in universitären Lehrveranstaltungen eingesetzt wurden. Die Arbeit stellt eine inhaltliche Fortführung der auf der Konferenz Robotics in Education,  RiE 2024 publizierten Studie „Tailored Robotics Lab Sessions – Accommodating Undergraduate Students with Diverse Skill Levels“ dar und erweitert diese um eine detaillierte Analyse der didaktischen Integration servicerobotischer Anwendungen.

Follow the Line

In dieser Übung steuern Studierende ein virtuelles Formel-1-Auto mit Onboard-Kamera, Lenkrad und Gashebel. Die Aufgabe besteht darin, eine Navigationssoftware zu entwickeln, die das Fahrzeug entlang einer roten Mittellinie auf vordefinierten Rennstrecken (z. B. MonteCarlo, Nürburgring, Montmeló) führt und eine Runde in minimaler Zeit absolviert. Die rote Linie dient als vereinfachtes Wahrnehmungselement zur Orientierung. Zur Umsetzung stehen zwei Python-APIs zur Verfügung. Die Referenzlösung kombiniert Bildverarbeitungsalgorithmen mit einer Regelungsschicht. In der reaktiven Schleife des PID-Reglers werden kontinuierlich die Echtzeit-Bilddaten ausgewertet, um das Fahrzeug optimal zu steuern.

Amazon Warehouse

Diese Übung vermittelt die Programmierung autonomer Logistikroboter für Lagerhäuser. Zwei Roboter stehen zur Verfügung: ein holonomer Roboter mit omnidirektionaler Bewegung und Hubplattform sowie ein AMR-ähnliches Modell mit Ackermann-Kinematik. Die simulierte Umgebung umfasst Lagerhäuser mit Regalen, Hindernissen und Transportgütern. Über ein API werden Sensordaten (z.B. Pose via HAL.getPose3d()) und Aktorik (Geschwindigkeit, Lenkung, Hubfunktion) angesteuert. Die GUI ermöglicht Visualisierung und Debugging. Die Übung kombiniert Pfadplanungsalgorithmen (PRM, RRT) mit regelungstechnischer Umsetzung und vermittelt so praxisnahe Robotikkompetenzen für industrielle Anwendungen.

Lehrerfahrungen

Im Studienjahr 2023–24 wurde die Lehrplattform Unibotics an zwei europäischen Hochschulen eingesetzt, um praktische Inhalte der Servicerobotik zu vermitteln. An der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) wurde der Wahlkurs „Anwendungen der Robotik“ für Bachelor-Studierende der Informatik angeboten. Das duale Bildungssystem der DHBW führt zu heterogenen Vorkenntnissen der 13 Teilnehmenden, da diese parallel in verschiedenen Unternehmen tätig sind. Der Kurs umfasste 36 Stunden Vorlesung und 39 Stunden Selbststudium, wobei zwei von sechs Sitzungen auf die „Follow Line“-Übung in Unibotics fokussierten. Die Studierenden arbeiteten in Kleingruppen und nutzten einen Wettbewerbsmodus. Die technische Implementierung gestaltete sich unkompliziert.

Eine Evaluation ergab, dass 62 % der Teilnehmenden keine Vorkenntnisse besaßen; die übrigen nannten Erfahrungen mit OpenCV, Python, PID-Reglern oder LEGO-Robotern. Die Mehrheit (85 %) empfand das Niveau als angemessen, 77 % gaben an, Neues gelernt zu haben, und über 50 % wünschten sich eine vertiefende Behandlung des Themas. Kritikpunkte betrafen die eingeschränkte IDE-Funktionalität (fehlende Syntaxhervorhebung), Simulationsfehler bei leistungsschwacher Hardware sowie den Wunsch nach realer Roboteranbindung. Dennoch fiel das Gesamtfeedback positiv aus, und die Lösungen der Studierenden waren trotz kurzer Bearbeitungszeit erfolgreich.

Kontakt

Florian Stöckl
DHBW Karlsruhe
florian.stoeckl@dhbw-karlsruhe.de