Wie ticken die Menschen in verschiedenen Ländern Europas?

Ein EU-gefördertes Projekt der DHBW Karlsruhe

Die grenzüberschreitende Mobilität junger Menschen zu fördern, international gemeinsames Lernen und Arbeiten zu ermöglichen und letztendlich zur Friedenssicherung beizutragen, das sind die Ziele des Programms Erasmus+ der Europäischen Union. Tausende Studierende profitieren jedes Jahr von den Erasmus-Stipendien, die ihnen ein Semester im Ausland ermöglichen oder erleichtern. Erasmus+ fördert studentische Mobilität auch über gemeinsame Projekte von Hochschulen, in denen Studierende aus verschiedenen Ländern zum Beispiel gemeinsam an (Forschungs-)Aufgaben arbeiten. Die DHBW Karlsruhe hat ein solches Projekt nun erfolgreich abgeschlossen. Unter dem Titel „Comparative Analyses of Identities in Business and Every-Day Behaviour“ ging es um die Frage, ob und wie sich – potenziell unterschiedliche – Identitäten in verschiedenen europäischen Ländern im Verhalten der Menschen niederschlagen. Wie sehen und beurteilen Menschen sich selbst und andere? Kann man ableiten, dass Menschen aus verschiedenen Nationen zu einem geeinten Europa zusammenwachsen? Unter der Koordination von Prof. Dr. Angela Diehl-Becker, Leiterin des Studiengangs BWL – Deutsch-Französisches Management und ausgewiesene Expertin in interkultureller Kompetenz und Organisationspsychologie, waren an dem dreijährigen Projekt fast 100 Studierende von Hochschulen aus sechs europäischen Ländern beteiligt. Die Untersuchung setzte an am deutsch-französischen Tandem; weitere Partnerländer waren Ungarn, Finnland, Portugal und Polen, die die Untersuchung unter politischen und geographischen Gesichtspunkten auf eine breite Basis stellten. Für die Erfassung und Auswertung der Daten wurden anerkannte wissenschaftliche Methoden aus der Sozialforschung angewandt. Das Projektdesign sah sechs sogenannte „Intensive Study Programmes“ vor – je ein einwöchiger Studienaufenthalt in jedem Partnerland, in denen die Studierenden unter Leitung der involvierten Wissenschaftler*innen sich intensiv mit den Forschungsthemen vertraut machten und umfangreiche Daten sammelten und erfassten. Begleitend gab es Vorträge zu verwandten Themen aus Politik, Bildung, Sozialwissenschaft und Philosophie, Gruppenarbeit in ländergemischten Teams und auch ausreichend Freiraum, in dem sich die Studierenden kennen lernen und austauschen konnten. Dabei zeigte sich, dass die internationale Zusammenarbeit hervorragend funktionierte, das Aufeinander-Zugehen fiel allen leicht, viele Freundschaften wurden geschlossen. Die Covid-Pandemie beeinträchtigte leider das Reisen, so dass nach den ersten drei Studienprogrammen – in Paris, Budapest und Porto – die verbleibenden drei nur online oder hybrid stattfinden konnten. Die Verantwortlichen in Finnland, Polen und Deutschland machten das Beste aus der Situation. Viele der Programmteile konnten gut in ein Onlinekonferenz-Format übertragen werden, andere weniger gut oder gar nicht, wie die Beobachtungsstudien vor Ort. Insbesondere litt auch das informelle Miteinander, doch die Studierenden behalfen sich auch hier mit Chatgroups und Videokonferenzen, bei denen nicht nur leidenschaftlich diskutiert, sondern im Abendprogramm z.B. auch finnischer Pfannkuchen gebacken wurde.

Und wie sehen nun die Ergebnisse aus? Kann man eine Art europäischer Identität feststellen, oder sind die Menschen (noch) in ihren nationalstaatlich-kulturellen Identitäten verhaftet? Die Antworten sind vielfältig. Mit Fokus auf Einzelphänomene ließ sich beispielsweise feststellen, dass das Gesprächsverhalten von Franzosen, systematisch beobachtet und dokumentiert während des Studienprogramms in Paris, von ihnen selbst etwas anders – nämlich weniger freundlich und mächtiger – beurteilt wurde als von Außenstehenden, und dass es für die Portugiesen insgesamt nie ein „Zuviel“ an Kommunikation gab. Interessant ist auch die Erkenntnis, dass es in keinem der Länder signifikante Unterschiede zwischen den Altersgruppen gab. Um ein generelles Fazit zu ziehen, so lässt sich sagen: Es gibt eine europäische Identität, die tendenziell freundlich ist, leicht emotional, nicht besonders zielorientiert, und eher passiv. Es gibt gemeinsame Werte (wie Glück, Erfolg, Wertschätzung), die angestrebt werden. Allen gemeinsam ist das Ideal, noch besser miteinander befreundet zu sein, doch es fehlt dafür an Einsatz und Verantwortung.

Die Studierenden des Studiengangs Deutsch-Französisches Management der DHBW Karlsruhe, die alle im interkulturellen Kontext lernen und in internationalen Unternehmen arbeiten, waren begeistert vom Projekt und werden ihre Erfahrungen und Erkenntnisse sicher in ihre Arbeitsumgebung übertragen können.

Weitere Informationen: https://identities-behaviour-in-europe.eu/de/

Text: SC, Foto: Felipe Monteiro